Miracle Morning oder „Was soll der Sch****?“ Ein Plädoyer für alle Spätaufsteher

Ich bin kein Morgenmensch. War ich noch nie, bin es heute nicht und werde es auch NIE sein. Für mich war es, als ich noch in Festanstellung gearbeitet habe, wirklich wirklich schlimm, wenn ich morgens um Acht Uhr im Büro sein musste. Für mich hiess das nämlich: spätestens um Sechs raus aus den Federn, da ich mich auch noch einige Kilometer durch den Berufsverkehr quälen musste. 
Noch schlimmer war es, wenn morgens um Acht – oder besser noch vor Acht – ein Kunde angerufen hat, weil: Erstens war das meistens kein gutes Zeichen und Zweitens hätte ich ihr oder ihm so ziemlich alles versprochen, inklusive meines kompletten Vermögens (ha,ha,ha) und meines nichtvorhandenen Erstgeborenen, nur damit sie oder er mich in Ruhe lässt. Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe meinen Job wirklich gern gemacht, aber eben nicht morgens um Acht - vor dem ersten Kaffee! So richtig wach war ich meistens erst gegen Zehn – nach gefühlt einem Liter Kaffee. 

Pic by ©Miriam Weitz

Glücklicherweise habe ich mich ja vor einigen Jahren selbständig gemacht, und bin seitdem zumeist in der äußerst luxuriösen Lage, mir meine Arbeitszeit selbst einteilen zu können. Was jetzt nicht heißt, dass ich weniger arbeite (tatsächlich ist es sehr viel mehr, als ich als Angestellte gearbeitet habe!). Aber ich kann mir (meistens) meine Arbeit nach meinem eigenen Rhythmus einteilen. Das heißt: Später anfangen, aber dafür – wenn‘s nötig ist – am Abend sehr viel länger arbeiten. Für mich als gemäßigte Eule einfach ideal! 

Wieso soll ich in aller Herrgottsfrühe auf einmal produktiv sein? 

Seit Neuestem geistert ja mal wieder ein Phänomen nicht nur durch die sozialen Medien: Der sogenannte „Miracle Morning“. Der Trend kommt, wie kann es anders sein, natürlich aus Amerika. Sozusagen erfunden hat ihn der Bestsellerautor Hal Elrod. Ich gebe es aber ganz offen zu: Ich habe das Buch nicht gelesen  (und werde es vermutlich auch niemals tun). 
Grundgedanke des Buches ist es wohl, dass man jeden Tag mindestens eine Stunde früher aufstehen soll, damit man mehr Zeit für sich hat. 
Diese Grundidee finde ich ja gar nicht mal soooo schlecht. Eine Stunde morgens mehr, um Kaffee zu trinken und Zeitung zu lesen, kann ja so verkehrt nicht sein. Aber weit gefehlt: Elrod fordert: in dieser Stunde soll man meditieren, positive Glaubensgrundsätze (Affirmationen) formulieren, trainieren, lesen und schreiben.  Okay, kann ja machen, wer das unbedingt will. 

Aber die Betonung liegt auf Morgen. Die meisten Influencer, Blogger und was auch immer, stehen deswegen auch gleich mal um fünf oder um sechs auf. Für Menschen wie mich, also mitten in der Nacht. Dafür arbeite ich selbst halt meistens bis spät am Abend, weil mir da einfach die besten Ideen kommen, und ich einfach wesentlich kreativer bin. Grundvoraussetzung als Texterin und Fotografin und Hobbykünstlerin. 

Seit wann ist spät(er) aufstehen eigentlich was „Schlechtes“ geworden?

Fakt ist doch, dass die meisten von uns ein entsetzlich schlechtes Gewissen haben, wenn sie gerne mal länger schlafen. Denn, sind wir doch mal ehrlich, wir werden von Kindesbeinen an eigentlich darauf konditioniert, dass Frühaufsteher - ich sage es jetzt mal ganz provokativ - die besseren Menschen sind. Das geht ja schon mit dem Kindergarten und der Schule los und setzt sich in der Arbeitswelt fort. Menschen die morgens um Acht  (oder noch früher) mit guter Laune (!) im Büro/am Band/in der Produktion/in der Werkstatt etc.pp  stehen, und womöglich noch vorher zwei Stunden im Fitnessstudio waren (oder von mir aus den Miracle Morning gemacht haben) wird meistens der größte Respekt gezollt . By the way: Wirklich, wirklich alle Menschen die VollConti-Schicht arbeiten haben meinen größten Respekt! 

Das ist wahrscheinlich auch der Grund warum ich einfach nicht mehr fest angestellt arbeiten möchte. Ich kann ja schlecht zu meiner Chefin oder meinem Chef sagen: „Ja ist schon okay, aber um Acht fange ich nicht an. Dafür arbeite ich aber auch gerne bis 22 Uhr und später. Und notfalls auch am Wochenende, wenn ich mir meine Arbeitszeit frei einteilen kann. 

Glücklicherweise hat in einigen Unternehmen aber bereits ein Umdenken statt gefunden. Manche Betriebe lassen tatsächlich den Arbeitnehmern relativ freie Hand, was die Arbeitszeiten betrifft. Andere wiederum haben die 25-Stunden-Woche eingeführt (bei gleichem Gehalt). 

Doch zurück zum Thema: Seit wann ist später aufstehen eigentlich was Schlechtes geworden? Ist es nicht so, dass die Menschen produktiver sind, wenn sie nach ihrem eigenen Rhythmus arbeiten können, statt diesen von irgendeiner Uhr diktieren zu lassen? Ich denke, dass wir alle unseren persönlichen „Miracle Morning“ gestalten sollten. Aber nur eben zu der Uhrzeit, zu der sie oder er sich dazu in der Lage fühlt. 

Denn sind wir mal ganz ehrlich so unter uns Nachtmenschen: Ist es nicht ganz furchtbar, wenn morgens um sechs Uhr der Wecker klingelt und man völlig übernächtigt aus dem Bett muss? Für mich ist dann gleich der ganze Tag im A*** und der Abend dann meistens gleich auch noch, weil ich spätestens um acht Uhr im Tiefschlaf auf der Couch liege. Und wehe dem, der versucht mich zu wecken!

Ich persönlich finde das spät(er) aufstehen als rein gar nichts Übles. Denn ich persönlich stehe doch lieber zu meiner Uhrzeit auf und bin gut gelaunt und vor allem produktiv, als das ich mich durch den Tag quäle, und mich mit gefühlt fünf Litern Kaffee wach halten muss. 
Deswegen: Wenn ihr die Möglichkeit habt, länger zu schlafen ohne Ärger zu bekommen, und es ist euch danach dann tut das auch! Es ist rein gar nichts Verwerfliches daran eine Eule zu sein. Die Lerchen sind nicht automatisch die besseren Menschen – ganz bestimmt nicht. 

Wer das Buch unbedingt lesen möchte:



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